Historische Entwicklung
Seit dem 1470. Jahrhundert wird im Erzgebirge Bergbau betrieben, ab 1500 erlangte der Silberbergbau große Bedeutung. Um das Jahr 1879 erschienen in Agricolas Schriften die ersten Berichte über eine bestimmte Krankheit unter Bergleuten. 1925 wurde diese Krankheit von Härting und Hesse als Lungenkrebs anerkannt, aber damals war die Ursache noch nicht klar. XNUMX wurde der „Schneeberger Lungenkrebs“ in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen.
Das Material, aus dem Marie Curie die Elemente Radium und Polonium isolierte, stammte aus der Halde des Joachimstals (Jachymov) in Böhmen. 1936 bestätigten Rajewskys Radonmessungen bei Schneeberg den bereits vermuteten Zusammenhang zwischen Radon in den Bergwerksschächten und Lungenkrebs.
1945 intensivierte die Sowjetunion ihr Atomwaffenforschungsprogramm. Die Suche nach Uran wurde auf das Erzgebirge ausgedehnt, da dort die Abbaubedingungen besser waren als in den sowjetischen Lagerstätten. Nach ersten Ermittlungen wurde das gesamte Gebiet unter sowjetische Militärverwaltung gestellt und zur Sperrzone erklärt.
Von 1946 bis 1990 betrieb die Soviet Wismut Company (SAG), später die Soviet-German Wismut Company (SDAG), Uranbergbau in Thüringen und Sachsen (Abbildung 1). Damals stand die Sowjetunion unter Druck, ausreichende Mengen an Uran für den Bau der ersten sowjetischen Atombombe zu beschaffen. Entsprechendes Equipment war nicht vorhanden, so dass das Erreichen der erforderlichen Uranproduktion nur unter Missachtung von Sicherheitsmaßnahmen möglich war. Besonders schlecht waren die Arbeitsbedingungen in den Jahren 1946 bis 1954. Laut einem Gesundheitsbericht der SAG Wismut verunglückten allein in der zweiten Hälfte des Jahres 1,281 20,000 Bergleute tödlich, 1949 erlitten Verletzungen oder andere gesundheitliche Beeinträchtigungen.
Abbildung 1. Abbaugebiete der SDAG Wismut in Ostdeutschland
Im Nachkriegsdeutschland betrachtete die Sowjetunion den Uranabbau als eine Form der Reparation. Häftlinge, Wehrpflichtige und „Freiwillige“ wurden mobilisiert, aber zunächst gab es kaum Fachpersonal. Insgesamt beschäftigte Wismut zwischen 400,000 und 500,000 Mitarbeiter (Abbildung 2).
Abbildung 2. Wismut-Mitarbeiter 1946-90
Schlechte Arbeitsbedingungen, der Mangel an geeigneter Technik und hoher Arbeitsdruck führten zu extrem hohen Unfall- und Krankheitszahlen. Ab 1953, als die deutsche Beteiligung am sowjetischen Unternehmen begann, verbesserten sich die Arbeitsbedingungen allmählich.
Von 1946 bis 1955 wurde mit stark staubhaltigem Trockenbohren gearbeitet. Eine künstliche Belüftung war nicht vorhanden, was zu hohen Radonkonzentrationen führte. Darüber hinaus wurde die Gesundheit der Arbeiter durch die extrem schwere Arbeit aufgrund der fehlenden Ausrüstung, der fehlenden Sicherheitsausrüstung und der langen Arbeitsschichten (200 Stunden pro Monat) beeinträchtigt.
Abbildung 3. Belastungsaufzeichnungen der ehemaligen SDAG Wismut
Die Expositionshöhe variierte im Laufe der Zeit und von Schacht zu Schacht. Auch die systematische Messung der Exposition erfolgte in unterschiedlichen Phasen, wie Abbildung 3 zeigt. Die Expositionen gegenüber ionisierender Strahlung (dargestellt in Working Level Months (WLM)) können nur sehr grob angegeben werden (Tabelle 1). Heute erlauben Vergleiche mit Strahlenexpositionssituationen in anderen Ländern, Messungen unter experimentellen Bedingungen und Auswertungen schriftlicher Aufzeichnungen eine genauere Aussage über die Höhe der Exposition.
Tabelle 1. Schätzungen der Strahlenexposition (Arbeitsniveau Monate/Jahr) in den Wismut-Bergwerken
Jahr |
WLM/Jahr |
1946-1955 |
30-300 |
1956-1960 |
10-100 |
1961-1965 |
5-50 |
1966-1970 |
3-25 |
1971-1975 |
2-10 |
1976-1989 |
1-4 |
Neben der intensiven Belastung durch Gesteinsstaub lagen weitere krankheitsrelevante Faktoren wie Uranstaub, Arsen, Asbest und Emissionen von Sprengstoffen vor. Es gab physikalische Effekte durch Lärm, Hand-Arm-Vibrationen und Ganzkörpervibrationen. Unter diesen Bedingungen dominieren von 1952 bis 1990 Silikosen und strahlenbedingte Bronchialkarzinome die Akte der Berufskrankheiten (Tabelle 2).
Tabelle 2. Umfassende Übersicht über bekannte Berufskrankheiten in den Wismut-Uranbergwerken 1952-90
Listen-Nr. BKVO 1 |
Absolute Zahl |
% |
|
Krankheiten durch Quarz |
40 |
14,733 |
47.8 |
Bösartige Tumore oder Prätumoren durch ionisierende Strahlung |
92 |
5,276 |
17.1 |
Erkrankungen durch Teilkörperschwingungen |
54 |
- |
- |
Erkrankungen der Sehnen und Extremitätengelenke |
71-72 |
4,950 |
16.0 |
Beeinträchtigung des Gehörs durch Lärm |
50 |
4,664 |
15.1 |
Hautkrankheiten |
80 |
601 |
1.9 |
Andere |
- |
628 |
2.1 |
Gesamt |
30,852 |
100 |
1 Berufskrankheitenklassifikation der ehemaligen DDR.
Quelle: Jahresberichte des Wismut-Gesundheitssystems.
Obwohl die Gesundheitsdienste der SAG/SDAG Wismut im Laufe der Zeit eine immer umfassendere Betreuung der Bergleute einschließlich jährlicher ärztlicher Untersuchungen vorsahen, wurden die gesundheitlichen Auswirkungen des Erzabbaus nicht systematisch analysiert. Produktions- und Arbeitsbedingungen wurden streng geheim gehalten; Die Wismut-Unternehmen waren autonom und organisatorisch ein „Staat im Staat“.
Das volle Ausmaß der Ereignisse wurde erst 1989/90 mit dem Ende der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) bekannt. Im Dezember 1990 wurde der Uranabbau in Deutschland eingestellt. Seit 1991 sind die Berufsgenossenschaften als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für die Erfassung und Entschädigung aller Unfälle und Berufskrankheiten im Zusammenhang mit dem ehemaligen Wismut-Betrieb zuständig. Das bedeutet, dass die Verbände dafür verantwortlich sind, die betroffenen Personen bestmöglich medizinisch zu versorgen und alle relevanten Informationen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz zu sammeln.
1990 waren noch rund 600 Bronchialkarzinomanträge bei der Wismut-Sozialversicherung anhängig; rund 1,700 Fälle von Lungenkrebs waren in früheren Jahren abgelehnt worden. Seit 1991 werden diese Ansprüche von den zuständigen Berufsgenossenschaften verfolgt bzw. wiedereröffnet. Auf der Grundlage wissenschaftlicher Hochrechnungen (Jacobi, Henrichs und Barclay 1992; Wichmann, Brüske-Hohlfeld und Mohner 1995) wird geschätzt, dass in den nächsten zehn Jahren zwischen 200 und 300 Fälle von Bronchialkarzinomen pro Jahr als arbeitsbedingt anerkannt werden bei Wismut.
Die Gegenwart: Nach der Wende
Die Produktions- und Arbeitsbedingungen bei der SDAG Wismut haben sowohl bei den Mitarbeitern als auch in der Umwelt in Thüringen und Sachsen Spuren hinterlassen. Nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland hat der Bund die Verantwortung für die Umweltsanierung in der betroffenen Region übernommen. Die Kosten dieser Aktivitäten für den Zeitraum 1991-2005 wurden auf 13 Mrd. DM geschätzt.
Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1990 wurden die Berufsgenossenschaften als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für die Verwaltung von Berufskrankheiten in der ehemaligen DDR zuständig. Aufgrund der besonderen Bedingungen in der Wismut haben sich die Berufsgenossenschaften entschieden, eine eigene Einheit für den Arbeitsschutz auf dem Gelände der Wismut zu bilden. Soweit möglich, haben die Berufsgenossenschaften unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten Aufzeichnungen über frühere Arbeitsbedingungen gesichert. Somit würden bei einer Auflösung des Unternehmens aus wirtschaftlichen Gründen nicht alle Beweise verloren gehen, die möglicherweise dazu dienen könnten, die Ansprüche der Mitarbeiter im Krankheitsfall zu begründen. Die „Wismut-Zentrale Versorgungsstelle“ (ZeBWis) wurde am 1. Januar 1992 vom Bund eingerichtet und ist zuständig für arbeitsmedizinische Behandlung, Früherkennung und Rehabilitation.
Aus dem Ziel des ZeBWis, ehemalige Mitarbeiter des Uranbergbaus angemessen arbeitsmedizinisch zu betreuen, haben sich vier wesentliche Aufgaben der Gesundheitsüberwachung herauskristallisiert:
- Organisation von Massenuntersuchungen zur Früherkennung und Behandlung von Krankheiten
- Dokumentation der Screening-Ergebnisse und Verknüpfung mit Daten aus den Berufskrankheiten-Erkennungsverfahren
- Daten wissenschaftlich analysieren
- Unterstützung der Forschung zur Früherkennung und Behandlung von Krankheiten.
Die exponierten Arbeiter werden untersucht, um möglichst eine frühzeitige Diagnose zu gewährleisten. Ethische, wissenschaftliche und ökonomische Aspekte solcher Screeningverfahren bedürfen einer eingehenden Diskussion, die den Rahmen dieses Artikels sprengen würde.
Basierend auf den fundierten berufsgenossenschaftlichen Grundsätzen für spezielle arbeitsmedizinische Untersuchungen wurde ein arbeitsmedizinisches Programm entwickelt. Darin integriert waren aus Bergbau und Strahlenschutz bekannte Untersuchungsmethoden. Die Bestandteile des Programms ergeben sich aus den Hauptbelastungsfaktoren: Staub, Strahlung und andere gefährliche Stoffe.
Die laufende ärztliche Überwachung ehemaliger Wismut-Mitarbeiter dient in erster Linie der Früherkennung und Behandlung von Bronchialkarzinomen, die durch Strahlen- oder andere krebserregende Stoffe verursacht wurden. Während die Zusammenhänge zwischen ionisierender Strahlung und Lungenkrebs hinreichend sicher belegt sind, sind die gesundheitlichen Auswirkungen einer langzeitigen, niedrig dosierten Strahlenexposition weniger erforscht. Der aktuelle Kenntnisstand basiert auf Hochrechnungen von Daten von Überlebenden der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki sowie auf Daten aus anderen internationalen Studien über Uranbergarbeiter.
Die Situation in Thüringen und Sachsen ist insofern außergewöhnlich, als deutlich mehr Menschen einer viel breiteren Exposition ausgesetzt waren. Daher kann aus dieser Erfahrung eine Fülle von wissenschaftlichen Erkenntnissen gewonnen werden. Inwieweit Strahlung synergetisch mit der Exposition gegenüber Karzinogenen wie Arsen, Asbest oder Dieselmotoremissionen bei der Entstehung von Lungenkrebs wirkt, sollte anhand neu gewonnener Daten wissenschaftlich untersucht werden. Die Früherkennung von Bronchialkarzinomen durch die Einführung modernster Untersuchungstechniken sollte ein wichtiger Bestandteil der prospektiven wissenschaftlichen Forschung sein.
Verfügbare Daten des Wismut-Gesundheitssystems
Als Reaktion auf die extremen Unfall- und Gesundheitsprobleme richtete die Wismut einen eigenen Gesundheitsdienst ein, der unter anderem jährliche medizinische Vorsorgeuntersuchungen inklusive Thoraxröntgen durchführte. In späteren Jahren wurden zusätzliche Berufskrankheiten-Untersuchungsstellen eingerichtet. Seit der Wismut-Gesundheitsdienst nicht nur die Arbeitsmedizin, sondern auch die vollumfängliche medizinische Versorgung der Mitarbeiter und ihrer Angehörigen übernahm, sammelte die SDAG Wismut bis 1990 umfassende Gesundheitsinformationen zu vielen ehemaligen und aktuellen Wismut-Mitarbeitern. Neben vollständigen Informationen zu den arbeitsmedizinischen Untersuchungen und einem vollständigen Berufskrankheitenarchiv existiert ein umfangreiches Röntgenarchiv mit über 792,000 Röntgenbildern.
Das Wismut-Gesundheitswesen verfügte in Stollberg über eine zentrale Pathologieabteilung, in der umfangreiches histologisches und pathologisches Material sowohl von den Bergleuten als auch von den Bewohnern der Umgebung gesammelt wurde. 1994 wurde dieses Material dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg zur Aufbewahrung und zu Forschungszwecken übergeben. Ein Teil der Aufzeichnungen des ehemaligen Gesundheitssystems wurde zunächst von der gesetzlichen Unfallversicherung übernommen. Zu diesem Zweck richtete das ZeBWis im Schacht 371 in Hartenstein (Sachsen) ein temporäres Archiv ein.
Diese Aufzeichnungen dienen der Bearbeitung von Versicherungsfällen, der Vorbereitung und Durchführung der arbeitsmedizinischen Betreuung und der wissenschaftlichen Untersuchung. Neben der Nutzung durch die Berufsgenossenschaften stehen die Aufzeichnungen Sachverständigen und ermächtigten Ärzten im Rahmen ihrer klinischen Arbeit und Betreuung jedes ehemaligen Mitarbeiters zur Verfügung.
Den Kern dieser Archive bilden die vollständig übernommenen Berufskrankheitenakten (45,000) mit den dazugehörigen Berufskrankheiten-Suchakten (28,000), den Suchakten zur Überwachung staubgefährdeter Personen (200,000) sowie gezielt Unterlagen mit den Ergebnissen der arbeitsmedizinischen Tauglichkeits- und Überwachungsuntersuchungen. Darüber hinaus werden in diesem ZeBWis-Archiv die Autopsieunterlagen der Pathologie Stollberg aufbewahrt.
Diese letztgenannten Aufzeichnungen sowie die Berufskrankheiten-Suchakten wurden zwischenzeitlich für die Datenverarbeitung aufbereitet. Diese beiden Dokumentationsformen werden für die Datenextraktion einer 60,000 Personen umfassenden epidemiologischen Studie des Bundesumweltministeriums verwendet.
Neben den Daten zur Exposition gegenüber Radon und Radonnebenprodukten sind die Aufzeichnungen zur Exposition ehemaliger Beschäftigter gegenüber anderen Arbeitsstoffen von besonderem Interesse für die Berufsgenossenschaften. So liegen bei der heutigen Wismut GmbH Messergebnisse von Anfang der 1970er Jahre bis heute für silikogene Stäube, Asbeststäube, Schwermetallstäube, Holzstäube, Sprengstäube, giftige Dämpfe, Schweißrauch, Dieselmotor in Listenform zur Einsicht bereit Emissionen, Lärm, Teil- und Ganzkörpervibrationen und schwere körperliche Arbeit. Für die Jahre 1987 bis 1990 sind die Einzelmessungen in elektronischen Medien archiviert.
Dies sind wichtige Informationen für die retrospektive Analyse der Expositionen im Uranbergbau der Wismut. Es bildet auch die Grundlage für die Erstellung einer Job-Exposure-Matrix, die für Forschungszwecke die Exposures den Aufgaben zuordnet.
Zur Abrundung des Bildes werden in der Abteilung Gesundheitsdatensicherung der Wismut GmbH weitere Akten gespeichert, darunter: Patientenakten ehemaliger ambulanter Patienten, Unfallmeldungen des ehemaligen Unternehmens und von Arbeitsschutzinspektionen, klinische arbeitsmedizinische Akten, biologische Belastungen Tests, arbeitsmedizinische Rehabilitation und Berichte über neoplastische Erkrankungen.
Allerdings waren nicht alle Wismut-Archive – vor allem Papierakten – für eine zentrale Auswertung konzipiert. So stellte sich mit der Auflösung der SDAG Wismut zum 31 und der Auflösung des Betriebskrankenhauses Wismut die Frage, was mit diesen einmaligen Aufzeichnungen geschehen soll.
Exkurs: Eingliederung der Beteiligungen
Die erste Aufgabe für das ZeBWis bestand darin, die Personen, die unter Tage oder in den Aufbereitungsanlagen arbeiteten, zu definieren und deren aktuellen Aufenthaltsort zu ermitteln. Die Bestände umfassen etwa 300,000 Personen. Nur wenige Aufzeichnungen des Unternehmens waren in einer Form, die für die Datenverarbeitung verwendet werden konnte. Daher war es notwendig, den mühsamen Weg zu gehen, jeweils eine Karte zu betrachten. An fast 20 Standorten mussten die Karteikarten eingesammelt werden.
Der nächste Schritt bestand darin, die wichtigsten Statistiken und Adressen dieser Personen zu sammeln. Informationen aus alten Personal- und Lohnbüchern waren dafür nicht brauchbar. Alte Adressen waren oft nicht mehr gültig, auch weil nach Unterzeichnung des Einigungsvertrages eine pauschale Umbenennung von Straßen, Plätzen und Wegen erfolgte. Auch das Zentrale Einwohnermeldeamt der ehemaligen DDR war nicht brauchbar, da die Angaben zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vollständig waren.
Möglich wurde die Suche nach diesen Personen schließlich durch die Unterstützung des Verbandes der Deutschen Rentenversicherungsträger, durch den Adressen von fast 150,000 Personen gesammelt wurden, um das Angebot der kostenlosen arbeitsmedizinischen Versorgung zu kommunizieren.
Um dem untersuchenden Arzt einen Eindruck von den Gefährdungen und Expositionen zu geben, denen der Patient aus der sogenannten Berufs- oder Arbeitsanamnese ausgesetzt war, wurde eine Berufs-Expositions-Matrix erstellt.
Arbeitsmedizinische Betreuung
Für die Untersuchungen wurden ca. 125 speziell ausgebildete Arbeitsmediziner mit Erfahrung in der Diagnostik von staub- und strahlenbedingten Erkrankungen rekrutiert. Sie arbeiten unter der Leitung des ZeBWis und sind über die gesamte Bundesrepublik verteilt, um sicherzustellen, dass die Betroffenen die indizierte Untersuchung in der Nähe ihres derzeitigen Wohnortes absolvieren können. Aufgrund der intensiven Schulung der teilnehmenden Ärzte werden an allen Untersuchungsorten standardisierte und qualitativ hochwertige Untersuchungen durchgeführt. Durch die frühzeitige Verteilung einheitlicher Dokumentationsformulare wird sichergestellt, dass alle relevanten Informationen nach festgelegten Standards erfasst und in die Rechenzentren des ZeBWis eingespeist werden. Durch die Optimierung der Aktenanzahl führt jeder untersuchende Arzt jedes Jahr eine ausreichende Anzahl an Untersuchungen durch und bleibt dadurch geübt und erfahren im Untersuchungsprogramm. Durch regelmäßigen Informationsaustausch und Weiterbildung haben die Ärzte stets Zugriff auf aktuelle Informationen. Alle untersuchenden Ärzte sind erfahren in der Beurteilung von Thorax-Röntgenaufnahmen nach den ILO-Richtlinien von 1980 (International Labour Organization 1980).
Der durch die laufenden Untersuchungen wachsende Datenpool richtet sich an befreundete Ärzte und Sachverständige für Gefährdungsbeurteilung im Berufskrankheitenerkennungsprogramm mit entsprechenden Vorbefunden. Darüber hinaus bietet es eine Grundlage für die Behandlung spezifischer Symptome oder Krankheiten, die unter definierten Risikosituationen auftreten.
Die Zukunft
Vergleicht man die Anzahl der Personen, die für die Wismut unter Tage und/oder in Aufbereitungsanlagen tätig waren, mit der Anzahl der im Uranbergbau in der westlichen Welt beschäftigten Personen, so zeigt sich, dass die vorliegenden Daten auch bei großen Lücken eine außerordentliche Gewinngrundlage darstellen neues wissenschaftliches Verständnis. Während die Übersicht von 1994 von Lubin et al. (1994) zum Lungenkrebsrisiko ca. 60,000 Betroffene und ca. 2,700 Lungenkrebsfälle in 11 Studien erfassten, liegen nun die Daten von ca. 300,000 ehemaligen Wismut-Mitarbeitern vor. Mindestens 6,500 sind bisher an strahlenbedingtem Lungenkrebs gestorben. Darüber hinaus hat Wismut nie die Expositionsinformationen einer großen Anzahl von Personen gesammelt, die entweder ionisierender Strahlung oder anderen Mitteln ausgesetzt waren.
Für eine optimale Berufskrankheitendiagnostik sowie für die wissenschaftliche Forschung sind möglichst genaue Angaben zur Exposition notwendig. Dem wird in zwei Forschungsprojekten Rechnung getragen, die von den Berufsgenossenschaften gefördert oder durchgeführt werden. Durch Zusammenführung vorhandener Standortmessungen, Analyse geologischer Daten, Nutzung von Informationen zu Produktionszahlen und teilweise Rekonstruktion der Arbeitsbedingungen in den Anfangsjahren der Wismut wurde eine Job-Exposure-Matrix erstellt. Daten dieser Art sind Voraussetzung, um durch Kohortenstudien oder Fall-Kontroll-Studien ein besseres Verständnis von Art und Ausmaß von Erkrankungen zu entwickeln, die durch den Uranbergbau verursacht werden. Auf diese Weise könnte auch das Verständnis der Wirkung von langfristigen, niedrigen Strahlungsdosen und der kumulativen Wirkung von Strahlung, Staub und anderen krebserregenden Materialien verbessert werden. Studien dazu beginnen jetzt oder sind in Planung. Mit Hilfe von biologischen Proben, die in den ehemaligen Pathologielabors der Wismut gesammelt wurden, können zudem wissenschaftliche Erkenntnisse über die Art des Lungenkrebses sowie über Wechselwirkungen zwischen silikogenen Stäuben und Strahlung sowie anderen krebserzeugenden Gefahrstoffen, die eingeatmet oder eingeatmet werden, gewonnen werden eingenommen. Solche Pläne werden derzeit vom DKFZ verfolgt. Zu diesem Thema gibt es jetzt eine Zusammenarbeit zwischen den deutschen Forschungseinrichtungen und anderen Forschungsgruppen wie dem US-amerikanischen NIOSH und dem National Cancer Institute (NCI). Auch entsprechende Arbeitsgruppen in Ländern wie Tschechien, Frankreich und Kanada arbeiten bei der Untersuchung der Expositionsdaten zusammen.
Inwieweit andere bösartige Erkrankungen als Lungenkrebs durch Strahlenbelastung während des Uranerzabbaus entstehen können, ist kaum bekannt. Auf Wunsch der Berufsgenossenschaften wurde dazu ein Modell entwickelt (Jacobi und Roth 1995), um festzustellen, unter welchen Bedingungen Mund-, Rachen-, Leber-, Nieren-, Haut- oder Knochenkrebs durch Arbeitsbedingungen wie bei der Wismut verursacht werden können .